Schreiben an Herrn Ljungberg
von Herrn 5. im Rausch geschrieben.


Mein lieber Freund, mehr habe ich wohl noch nie an einen Freund geschrieben als ich jetzo an dich schreibe. Und was denn? Die Beschreibung einer der schönsten Kreaturen, die für uns vielleicht gelebt hat. Bedenke der schönsten! das ist viel gesagt, aber ich kenne dich, und das macht mich so zuverlässig. Stelle dir ein Mädchen vor, nicht sehr reich, aber doch für ihren Stand wohlhabend, gutherzig und die jedermanns Vergnügen wünscht und vielleicht (ich getraue kaum diese Zeile zu schreiben) auch gern befördert und es zuverlässig befördern kann. Nicht sehr groß, mehr fleischigt als fett, gewachsen wie, wie --- wie das schönste Mädgen gewachsen sein muß, wie ein Bogen, wo aber die konvexe Seite Brust, Bauch und Schenkel werden. Zart, Bescheidenheit und alle Tugenden in dem feinen Gesicht, Gutherzigkeit, Geschmack, Schätzerin von Munterkeit und liebenswürdigem Leichtsinn. Ihr Busen - O! Ljungberg, Ljungberg, wie viel, wie viel war da. Menschliche Wollust, das höchste Werk des Vollkommenheit suchenden Himmels. Wollust, du kennst dieses Wort in unserer Bedeutung, in unserer gefühlvollen Bedeutung, diese wohnte auf ihr. Verständlich sind diese Zeilen für uns, Nonsense vielleicht für alles Übrige was lebt. Ihre Sprache! Engel, sprecht so, ich bin fromm, ich bin gottselig, ich bin Engel. Ihr Kuß, zu hoch sind meine Empfindungen nun gestimmt als daß irdische Worte - - - Nonsense der Entzückung, Nonsense, Nonsense. Gedacht, gefühlt ist besser als gesprochen, Himmel gefühlt ist ausgedruckt Nonsense. Nonsense. Schweigt oder lernt besser Deutsch. Kein Deutsch für diese Empfindungen, kein Deutsch. Gottsched, was bist du, Riedel, Kästner, Wieland, Rosen farb und Silber, Amen!*

*gerast gegen Ende des Februars 1769 da der Saft anfing in die Bäume zu steigen. Viel Nonsense was im Rausch Vernunft zu sein schien.

Lichtenberg: Sudelbücher - Heft B-78