Wieland ist ein großer Schriftsteller, er hat verwegene Blicke in eine Seele getan, in die seinige oder eines andern, mitten in dem Genuß seiner Empfindungen greift er nach Worten und trifft, wie durch einen Trieb, unter tausenden von Ausdrücken oft den, der augenblicklich Gedanken wieder zu Empfindungen macht. Dieses hat er mit dem Shakespeare gemein, ich meine hiermit nicht, daß er ihn nachahmt. Sternen hat er vielleicht nachgeahmt, das ist er hat in Dingen Sternen gefolgt, in welchen ein weit geringerer Geist, als Wieland ihm auch hätte folgen können, da wo er Sternische Bemerkungen über die Dinge macht, da wollte ich nicht gerne sagen, daß er ihm nachgeahmt habe, dieses zu tun allemal einige Übereinstimmung in den ersten Grundkräften beider Seelen, oder, wenn man lieber will, in den entferntesten Modifikationen derselben sein. Wieland ist aber weit über alles was ich kenne in den Schilderungen der sinnlichen Wollust, so wie sie sich einer schönen Einbildungskraft entkörpert, und sie in den geistigen Genuß unendlicher Wonne versenkt, in welcher eine durch alle Sinne einströmende Wollust wie ein Tropfen verschwindet; durch die der Adept Könige und Kurfürsten hinter sich läßt, sich gegen eine Welt gewogen stolz den Ausschlag gibt und Taten aufwiegt, wovon der Ruf durch Jahrtausende durchhallt. Sein Rosenfarb und Silber, sein Quell des Lichts, sein Klang der Sphären haben für den Kenner im stillen zu seiner Zeit eben den Wert den seine verschobene Halstücher, seine leinenen Nebel und seine zweideutigen Schatten zu einer andern Zeit für einen andern Leser haben.
Lichtenberg: Sudelbücher - Heft B-317