Seid versichert, ich komme nicht erst diesen Morgen auf diese Materie, sondern habe als Kandidat der Theologie und der vernünftigen Mode gemäß sich so viel als möglich mit Dingen zu beschäftigen, die einen nichts angehen, ein fast beständiges Augenmerk auf die Staatswirtschaft gehabt, und nach vielfältig angestellten Betrachtungen endlich gefunden, daß Herren-Dienste Fron-Dienste und das sogenannte Bauerschinden der kleinen Prinzen in Deutschland am Ende auf metaphysische Spitzfindigkeiten hinauslauft. Ich habe daher tausendmal gewünscht, daß man statt den allmählich aus der Mode kommenden Vorschriften des Christentums, die ohne(hin) in praxi nicht viel mehr nützen, dem Bauern lieber die rechten metaphysischen Begriffe von der Freiheit, von Voluntas velleitas und volitio auseinandersetzen möchte, damit er erkennen lernt, daß was er Schweiß und Blut und Träne nennt meistens von Syllogismen mit 4 Terminis herrührt. Den armen Teufeln kann man ihre Irrtümer jetzt nicht übel nehmen, denn wie kann der, der nie die Sonnen oder kostbare Uhren sieht, wissen ob seine Uhr richtig geht? Alle Bauern, die ich noch befragt habe, haben gemeiniglich ihre Klagen auf das Sophisma gegründet, daß sie was sie dem Prinzen bezahlten von ihrem Eigentum gäben, da doch jedermann weiß, daß, die großen Herrn ausgenommen, der Mensch jenseit seiner Epidermis nicht so viel als einen physischen Punkt besitzt. Wie wenn nun die Bauern das nicht hätten was sie haben? Das, was sie geben, gehörte den Prinzen ehe sie es gaben quod probe notandum und sie sind die bloßen Auszahler, und was sie Eigentum nennen ist gnädigst verwilligtes Zahlgeld, das in Deutschland an manchen Orten auf eine ganz unerlaubte Weise bis in die 50 Prozent hinauflauft.
Lichtenberg: Sudelbücher - Heft E-130