Es hat Leute gegeben, die haben dem Tacitus wollen auf die Sprünge kommen, und Kapitel mit drei Worten aussprechen, der Stubenhistoriker ihre schweiß- und blutkostende Berichtigung der Nachwelt in ein harmonisches Kolon hinwerfen, und unaffektierte Perioden drechseln, die sich in Magister-Disputationen auflösen ließen, und den Dank für jahrelange Mühe nicht einmal mit einem Partikelchen auch nur fliehend suchen, sondern die Zeile hinschreiben, gleichgültig, ob die Perle die sie enthält morgen oder in tausend Jahren oder gar nicht gefunden wird. Der Vorsatz ist gut, aber unter uns gesprochen, Landsleute, das geht wahrhaftig nicht. Wir sind nicht darnach eingerichtet, und dem Himmel sei Dank daß wir es nicht sind. Nein, solange ich wenigstens lebe, so soll die majestätische deutsche Allongen-Periode nichts von ihrer Würde verlieren. In ihr liegt der Charakter der Nation, da ist alles Zusammenhang, unser häufiges gewesen und das denenjenigen, desselbigengleichen, das beliebte Se. Hochwohlgeborne Exzellenz der Herr von u. 5. w., ferner unser Bettuch, Halstuch, Schnupftuch, Handtuch, Tischtuch und zehntausend solcher Wörter, worin man den National-Geist recht auf der Tat ertappt, zeigt, daß die lange eckigte, dahin knarrende Periode eigentlich für uns ist. Ja was sage ich, merkt ihr nicht deutlich daß vielen unserer Landsleute die Sprache schon zu kurz geworden ist, daher sie in ihren Aufsätzen nicht allein die längst erlaubten Füll- Flick- und Streckwörter, sondern sogar die sogenannten Flick-Bemerkungen nötig haben, während welcher dann der Geist die Zunge wieder einholt.
Lichtenberg: Sudelbücher - Heft E-160