Ich glaube, daß von 50 die den Homer schön finden ihn kaum einer versteht, sie haben ihn nie tadeln hören, und so kann sie seine Lektüre ergötzen, allein es gehört viel dazu ihn eigentlich zu verstehn. Ein Buch das man ganz übersieht, und das man im zwanzigsten ganz versteht gefällt nicht leicht mehr, wenn man 30 alt ist, daher kommen die elenden Nachahmungen der Alten die wir von jungen Leuten lesen. Sie haben z. E. den Horaz, den Shakespeare nachgeahmt, den sie sahen, gewiß gnau, davon bin ich sicher überzeugt, aber nicht den Horaz und Shakespeare, den der erfahmere klügere und weisere Mann in ihm findet. Der eine klebt bloß an dem Ausdruck und der Manier die er nicht erreicht, der zweite gibt uns fast in der Manier Sachen, die grade denen ähnlich sind, die man aus dem Original wegwünschen könnte. Ein dritter den Ausdruck ganz , allein er hat nichts in der Welt gesehen und erfahren, und sagt uns Dinge, die wir schon auswendig wissen pp. Ein sicheres Zeichen von einem guten Buch ist, wenn es einem immer besser gefällt je älter man wird. Ein junger Mensch von 18, der sagen wollte, sagen dürfte und vornehmlich sagen könnte was er empfindet, würde von Tacitus etwa folgendes Urteil fällen: Tacitus ist ein schwerer Schriftsteller, der gute Charaktere zeichnet und vortrefflich zuweilen malt, allein er affektiert Dunkelheit und kommt oft mit Anmerkungen in die Erzählung der Begebenheiten herein, die nicht viel erläutern, man muß viel Latein wissen um ihn zu verstehn. Im 25ten vielleicht, vorausgesetzt, daß er mehr getan hat als gelesen, wird er sagen: Tacitus ist der dunkle Schriftsteller nicht für den ich ihn ehmals gehalten, ich finde aber, daß Latein nicht das einzige ist was man wissen muß um ihn zu verstehen, man muß sehr viel selbst mitbringen. Und im 40ten wenn er die Welt hat kennen lernen, wird er vielleicht sagen, Tacitus ist einer der ersten Schriftsteller, die je gelebt haben.