Das Fortgehen des Guten und des Zweckmäßigen in der Welt. Wenn es in der menschlichen Natur liegt, daß z. E. die Christliche Religion endlich einmal wieder zugrunde geht, so wird es geschehen man mag sich darwider setzen oder nicht, das Zurückgehn und Hemmen auf eine kurze Zeit ist nur ein unendlich kleiner Bogen in der Linie. Nur ist es schade, daß grade wir die Zuschauer sein müssen und nicht eine andere Generation, es kann es uns also niemand verdenken, wenn wir soviel als möglich arbeiten unsere Zeiten nach unsern Köpfen zu formen. Ich denke immer, wir auf dieser Kugel dienen zu einem Zweck, dessen Erreichung eine Zusammenverschwörung des ganzen menschlichen Geschlechts nicht verhindern kann. Ebenso geht ein gutes Buch zur Nachwelt, wenn sich alle kritische Richterstühle vereinigten es verdächtig zu machen nicht durch Satire, sondern mit der Miene des unschuldigen Lamms und mit (dem) Akzent der Wahrheitsliebe, ja wenn sie gar ganz davon schwiegen. Wenn es ein Dutzend neue Wahrheiten stark und gut gesagt enthält, wenn man den Menschenkenner im Übrigen des Werks erblickt, so wird eine Legion von witzigen Bibliothekenschreibern es in seinem Gang zur Ewigkeit so wenig aufhalten können, als ich den Sturm oder die kommende Flut mit einem Kartenblatt zurückfächeln. Ein Mensch kann ein gutes Buch aus Neid, Unverstand oder Narrheit als schlecht verdammen, allein der Mensch nicht. Den Verfasser kann er an Bettelstab bringen. Ein Mensch kann etwas Schlechtes loben und etwas Gutes verdammen, aber der Mensch nicht.
Lichtenberg: Sudelbücher - Heft E 384